Joachim Gentz
Review of Franke's Confucianism Studies
2004

Joachim Gentz wrote the following, in a review of Otto Franke's Studien zur Geschichte des Konfuzianischen Dogmas und der Chinesischen Staatsreligion: Das Problem des Tsch'un-Ts'iu und Tung Tschung-schu's Tsch'un-T'siu fan lu (1920):

Die thematisch vielfältige Publikationstätigkeit Otto Frankes (1) spiegelt seinen eigenen gewundenen Weg zur Sinologie. Franke hatte die Fächer Jura, Geschichte, Altphilologie, Sanskrit und Sprachvergleichung sowie Orientalistik mit China-Schwerpunkt studiert, als er unerwarteterweise 1888 bis 1901 im Dolmetscher- und Konsulatsdienst der kaiserlichen Gesandtschaft in Beijing tätig wurde und dann, nach weiterem Chinaaufenthalt 1909 auf den ersten Lehrstuhl für Sinologie nach Hamburg berufen wurde. Damit lag es an ihm, ein akademisches Fach zu gestalten, das bis dato noch kein eigenes Profil aufwies. Dennoch war das Fach nicht ganz kontextlos. Es wurde zuvorderst mit dem Anliegen eingerichtet, qualifiziertes Personal für den Kolonialdienst auszubilden, also im Interesse des auswärtigen Dienstes des deutschen Reiches. Obwohl Franke selbst aus diesem Berufsfeld kam, gestaltete er das Fach doch ganz als akademische Disziplin nach dem Vorbild der anderen orientalistischen Philologien, achtete dabei jedoch stets darauf, den Gegenwartsbezug des Faches nicht aus den Augen zu verlieren und wirkte maßgeblich an der Umgestaltung des Kolonialinstitutes in eine universitäre Institution mit. Er war 1909 als Ordinarius an dieses Kolonialinstitut berufen worden, das sich "an die Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten und das Vorlesungswesen anschließen" sollte, dessen Zweck aber, wie er selbst in seinen Erinnerungen schreibt, der folgende sein sollte: "die gemeinsame Vorbildung von Beamten und anderen Personen, die in die deutschen Schutzgebiete zu gehen beabsichtigten und ‚die Schaffung einer Zentralstelle, in der sich alle wissenschaftlichen und wirtschaftlichen kolonialen Bestrebungen konzentrieren können'." (2) Franke dagegen definierte das Gebiet seines Lehrauftrags gleich zu Beginn als "Sprache und Kultur Chinas," "um anzudeuten, dass das Fundament philologisch sein solle, dass ich aber auf diesem Fundament höher in die Bereiche der chinesischen Gesamtkultur hinaufbauen wolle." (3) Auch nach seinem Wechsel 1923 auf die de Groot Nachfolge nach Berlin setzte er seine verschiedenen wissenschaftstheoretischen Forderungen (Differenzierung des Faches nach verschiedenen Wissensgebieten, Hinwendung zur chinesischen Gegenwart, Verbindung von klassischer und moderner Sinologie, Quellenkritik in der Historiographie und Systematisierung des Wissens über China) weiter fort und prägte damit einen eigenen akademischen Stil, der die Sinologie als Universitätsfach fest etablierte. So bewegt sich Franke sowohl biographisch als auch in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ständig zwischen aktuellen und klassischen Themen hin und her. Seine Publikationsliste sowie seine Erinnerungen zeugen davon, dass ihn die von den Nöten der Zeit gegebenen Themen, "die kulturgeschichtlichen Fragen, die der Krieg aufwarf", stärker beschäftigt haben als die der klassischen Orientalistik. Sowohl die aktuelle Landeskunde in ihren juristischen, wirtschaftlichen und geographischen Gestaltungen als auch die Themen der zeitgenössischen Politik haben ihn insgesamt mehr interessiert als rein historische oder philologische Themen. Und den Publikationen über historische Themen, über altchinesischen Staatssozialismus, Beamtentum, Staatsgedanken - oder eben auch das konfuzianische System und der damit verbundenen Geschichte des chinesischen Reiches merkt man deutlich die Frage nach dem Gegenwartsbezug an. "Die Einheitlichkeit der Geschichte und kulturellen Entwicklung, wie sie China in lückenloser Folge bis heute bietet, ist einzig in ihrer Art; und ebenso, wie nur der das neue China wirklich zu begreifen vermag, der das alte kennt, so ist auch die Kenntnis des neuen der sicherste Weg zum Verständnis des alten. (4)

 

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10 June 2004 / Contact The Project / Exit to Sinology Page